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Hofüberdachung
Historisches Museum der Stadt Wien
Eine Hofüberdachung
in Wien - hier für das Historische Museum der Stadt Wien.
Was macht sie so ungewöhnlich? Die Problematik der Hofüberdachung
ist alt: wie schützt man den Hofraum, ohne ihm das Licht
wegzunehmen? Es gibt in dieser Richtung schöne Lösungen
des 19. Jh. (die Galerien und Einkaufspassagen) aber auch zeitgenössische.
Im Wiener Umfeld fügt sich das neue Glasdach in der Tradition
bekannter Beispiele von Lichtdächer ein: die Postsparkasse
und Länderbank Otto Wagners, das Amalienbad, doch auch
Neueres wie das Jüdische Museum oder die Eingangshalle
des Bürokomplexes Lasallestraße.
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Andere Glasdächer wie die Sporthalle der Hauptschule Kinkplatz,
Gewächshäuser im Burggarten und Schönbrunn haben
auch gewisse Bedeutung erreicht. Ohne den Anspruch zu haben, einen
Vergleich (sei er wertend oder nicht) zu manchen Chef-d'Oeuvres
anzustellen, muss man bemerken, dass das neue Glasdach Prof. Ziesels
eines der wenigen Wiener Beispiele ist, bei dem die Architektur
aus der Konstruktion heraus entsteht. Ähnlich wie ein gotischer
Bau entsteht das Dach durch Ausfeilen einer statisch bedingten
Struktur. Und vielleicht ist es nicht alleine die Logik der Konstruktion
selbst, sondern eher der Spass an der Logik des Konstruierens
(oder die Kunst - im Sinne vom perfektioniertem Können),
welcher auch diesmal die Konstruktion des Professors lebendig
werden lässt. Außer vielleicht bei den erwähnten
Glashäusern, die einer früheren High-tech-Ära entspringen,
steht bei den bekannten Lichtdächern in Wien immer wieder
der architektonische Wille im Vordergrund. Falls die Struktur
nicht komplett in den Hintergrund tritt, wie im Falle der Wagner'ischen
Kassenhallendecken, dann ist sie jedoch der Dominanz der geometrischen
Form unterordnet, wie z.B. die Glasparabel beim Jüdischen
Museum. Die Form ist dabei diejenige, die als erste da war. Das
konstruktive Prinzip folgt der Form (construction follows form).
Im vorliegenden Fall entsteht aber die Form/Struktur aus einer
Wechselwirkung zwischen Konstruieren der Struktur und Ausfeilen
der Form. Dieser Feedback wird im ersten Teil unseres Kataloges
ausführlich dokumentiert. Es geht um einen ähnlichen
Fall wie der Streit um Henne und Ei: Was war zuerst - das Tragwerk
oder die Architektur? Prof. Ziesel löst diese Gleichung so
wie es auch richtig ist: Henne und Ei entstehen ziemlich gleichzeitig,
aufeinander abgestimmt. Denn anstelle einer Form, die gewaltsam
mit einem Tragwerk vereint wird, gibt es ein Tragwerk ,welches
durch Ausfeilen, zu einer Form kommt (geformt wird). Architektur
entsteht aus dem Konstruieren heraus, auf den eigentlich ältesten
Weg der Architektur. Keine Kunst über ein Tragwerk gestülpt,
sondern Kunst ist das Tragwerk selbst.
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Ein
solches Tragwerk hat eine rein ästhetische, emotionale Eigenschaft
einerseits (Proportionierung, Überraschung durch die ungewöhnliche
Lastabtragung und Transparenz); andererseits eine narrative, denn
es beschreibt in komplizierter, doch fast didaktischer Weise,
wie man eine paradoxale Konstruktion bauen kann, wie man die Querschnitte
so minimiert und Kräfte geometrisch so gruppiert, dass alles
sich auf nur einige wenige Druckelemente, hingegen viele Zugelemente
stützt. Ästhetisch wie eine Renaissancearchitektur -
klar, ausgeglichen; gedanklich eine höchst flamboyante, weil
mit barocker, raffinierter Beweisführung.
Ähnlich wie beim Ausstellungspavillion St. Pölten (mit
Arch. Adolf Krischanitz) im Jahre 1988, verwandelt Prof. Ziesel
das Thema Überdachen in einer ungewöhnlichen Demonstration
von Virtuosität, die aber zurückhaltend und gleichzeitig
didaktisch ist. Weil nicht formbesessen wie manche Architektenbauten,
haben die Tragwerke Ziesels eine Selbstverständlichkeit,
die sie vor einer oberflächlichen Zeitgeistkontaminierung
beschützen. Sie behalten immer auch eine Art handwerkliche
und experimentelle Erscheinung, die sie menschlicher und selbstverständlicher
macht.
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